Von der Vision einer zirkulären Wirtschaft

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Oliver Brüggemann ist Vorstand des Instituts für Chemie der Polymere an der JKU Linz © privat
Oliver Brüggemann ist Vorstand des Instituts für Chemie der Polymere an der JKU Linz © privat

04.07.2023

Im EU-Projekt „Cradle Alp“ entwickeln Kunststoff-, Cleantech- und Lebensmittel-Cluster gemeinsam mit acht Partnerinstitutionen aus Europa eine Strategie für den Alpenraum, um Substitutionen für Produkte in industriellen Herstellungsprozessen zu erleichtern und so die Überleitung in eine zirkuläre und ressourceneffiziente Wirtschaft zu beschleunigen.

Fossile Rohstoffe und toxische Substanzen sind in Produktionsprozessen weit verbreitet. „Cradle-Alp“ will sich in den kommenden drei Jahren darauf konzentrieren, chemische, fossile oder nicht nachhaltige Materialien durch zirkuläre, nachhaltige und biologisch abbaubare zu ersetzen. Auch Verbrauchsgüter, die jetzt noch auf nicht erneuerbaren Rohstoffen basieren, sollen künftig in einen biologischen Kreislauf übergeführt werden.


Gerüste aus dem 3D-Drucker

Eine Schnittstelle zwischen den beiden Kreisläufen sind abbaubare Kunststoffe. Ein Team des Instituts für Chemie der Polymere (ICP) an der JKU Linz forscht unter der Leitung von Oliver Brüggemann an derartigen Materialien:

„Aktuell beschäftigen wir uns mit biokompatiblen Polymeren, die bisher noch nicht auf Basis nachwachsender Rohstoffe hergestellt werden, jedoch unter physiologischen Bedingungen abbaubar sind“, sagt Brüggemann und erklärt: „Dabei werden synthetische Monomere zu Gerüsten für Implantate für verschiedene medizinische Anwendungen 3D-gedruckt – beispielsweise als Ersatz für einen Meniskus.“

Vom Körper auf den Acker

Für diese Gerüste werden aktuell am ICP 3D-druckbare Tinten entwickelt, die unter UV-Licht aushärten, damit die nächste Schicht aufgetragen werden kann. Ist das Gerüst fertig geduckt, findet die Proliferation, also das Züchten von Zellen an dem Gerüst, statt. Später im Körper soll sich das Gerüst auflösen und nur die kultivierten Zellen bleiben am Ort des Eingriffs zurück.

„Das Abbauprodukt sollte natürlich harmlos sein und bestenfalls Düngemittelqualität haben. Denn wird es ausgeschieden, landet es schließlich als Klärschlamm am Acker. Wie man sieht, greifen da die Kreisläufe schon direkt ineinander“, sagt Brüggemann.

Forschung an Sollbruchstellen

„Gemeinsam mit dem mechanischen und chemischen Recycling von Kunststoffabfällen könnte der Einsatz von abbaubaren Kunststoffen künftig einen wichtigen Beitrag zum zirkulären Umgang mit unseren Ressourcen leisten“, ist Brüggemann überzeugt.

Für eine Änderung im großtechnischen Stil erforscht das ICP in enger Zusammenarbeit mit der Industrie Polymere mit Sollbruchstellen. Diese werden für den späteren Abbau, also das Teilen der Kette, benötigt. Sie stellen eine Art Zeitschaltuhr dar, die gewährleisten soll, dass das Produkt über die gewünschte Lebensdauer seine Funktion erfüllt und erst dann der Abbau passiert. Dieser zeitliche Rahmen kann bei pharmazeutischen Anwendungen zwischen wenigen Minuten (Hülle einer Tablette) und einigen Wochen (Trägergerüst) variieren. Im technischen Anwendungsbereich kann man von Jahren der Anwendung ausgehen, bis die Sollbrüche aktiviert werden.

„Unsere Vision ist, dass Kunststoffe mit eingekapselten Katalysatoren ausgestattet werden und diese ‚per Knopfdruck‘ (beispielsweise UV-Licht, Temperatur oder Salzwasser) zum Abbau führen“, erklärt Brüggemann.

Politik muss mitziehen

„Die Forschung und Industrie können diese Wende gemeinsam vorantreiben, jedoch ist es notwendig, dass für den Fortschritt auch politisch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es braucht Unterstützung in Form von Ressourcenbereitstellung für Pilotanlagen für diese neuartigen Verfahren. Anders als durch reine Verbotspolitik, kann die Vision von einer Transformation so tatsächlich und schrittweise gelingen“, ist Brüggemann überzeugt.

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