05.06.2023
Die Projektpartner von „DekoCycle“ entwickelten ein Kreislaufwirtschaftskonzept, um stark bedruckte Stanzgitter abfallfrei aufzubereiten und wiederbedruckbare Kunststoffplatten auf hundertprozentiger Recyclingbasis herzustellen. Das CO2-Einsparungspotenzial ist enorm. „Abfallfreies Upcycling mit direkter Kreislaufführung ist die Königsklasse des stofflichen Recyclings“, sagt Projektkoordinator Hannes Meier von M2 Consulting. Der Kunststoff-Cluster begleitete das Projekt.
In der Automobilindustrie sind Kunststoffe nicht mehr wegzudenken. Eigenschaftsvielfalt und das geringe spezifische Gewicht sprechen für sich. Die Materialien lassen sich individuell an die jeweilige Bedarfssituation anpassen und erlauben eine hohe Produktvielfalt für die Endkunden. Außerdem sind Kunststoffe sehr gut rezyklierbar. Die gesamte Kunststoff-Recyclingbranche ist in Europa praktisch flächendeckend etabliert und sorgt mit vielen klein- und mittelständischen Unternehmen über den gesamten Lebenszyklus für hohe lokale Wertschöpfung.
Die Burg Design GmbH ist führender Hersteller für individuelle Dekore im Bereich Automotive Interieur und Exterieur Design und einer der Partner im Kooperationsprojekt „DekoCycle“. Der Spezialist veredelt, thermoverformt, fräst und hinterspritzt Kunststoffplatten aus PC (Polycarbonat) und ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer) im Siebdruckverfahren. Dabei entstehen hochwertige und funktionelle PMD-Bauteile (Print Mould Design), die weltweit an namhafte Automobilhersteller wie VW, BMW, Mercedes oder Genesis geliefert werden. Die extrem hohen Spezifikationsanforderungen an diese Bauteile waren bisher nur mit Neuware-Kunststoffen als Plattenware zu erfüllen.
Zusammen mit der Burg Design GmbH haben die Industrietechnik Filzwieser GmbH, die Transfercenter für Kunststofftechnik GmbH (TCKT) und die M2 Consulting GmbH ein Kreislaufwirtschaftskonzept erarbeitet, um stark bedruckte Stanzgitter abfallfrei aufzubereiten und wiederbedruckbare Kunststoffplatten auf hundertprozentiger Recyclingbasis herzustellen.
„Die qualitativ hochwertige Verarbeitung stand für uns im Mittelpunkt. Daher haben wir evaluiert, ob das recycelte Material die vorgegebenen Spezifikationen – wie Mechanik, Oberflächengüte und Geruchsbildung – erfüllt bzw. ob nachhaltige Kompromisse im Sinne von Design4Recycling darstellbar wären“, beschreibt Projektkoordinator Hannes Meier vom Beratungsunternehmen M2 Consulting.
Bis dato wurden pro Jahr mehrere hundert Tonnen an abfallenden Stanzgittern mangels stofflicher Verwertbarkeit thermisch entsorgt. Geht man im Fall einer Verbrennung von einer durchschnittlichen CO2-Entwicklung von 2,5 Kilogramm CO2 pro Kilogramm Kunststoff aus, trägt diese Entsorgungsroute bereits ein Drittel zum Product Carbon Footprint der fertigen Dekorteile bei. Mehr als die Hälfte dieser Kennzahl ist auf das Verwenden von Kunststoff-Neuware zurückzuführen. Um künftig eine CO2-neutrale Produktion mit minimal notwendigen Zertifikatszukäufen zu erreichen sowie maximal zu den im EU Green Deal verankerten Recyclingquoten beizutragen, soll eine möglichst abfallfreie Kreislaufführung unter Einbeziehung von lokalen Partnern entlang der gesamten Wertschöpfungskette erreicht werden.
Die Versuche am Labor-Compounder beim F&E-Partner TCKT zeigten schnell, dass die bedruckten Stanzgitter ohne weitere Zusätze nicht zu recyclen sind. Dennoch entwickelten die Projektpartner – hauptsächlich durch Additivierungen – einen stabilen Recycling- bzw. Upcyclingprozess, den die Thermoplastkreislauf GmbH auch großtechnisch verifizierte. Das bereits aufgebaute Wissen aus dem Projekt „ecoprint.at“ des Kunststoff-Clusters über UV-vernetzte Druckfarben und deren Zerfallsprodukte half dabei enorm.
Polycarbonat als Basispolymer (im Gegensatz zu Polypropylen) brachte noch weitere Herausforderungen eines polyesterartigen, sehr feuchtesensitiven Polymers mit sich: die deutlich höheren Prozesstemperaturen (260 statt 230 Grad Celsius) sowie die stärkere Neigung zu Quer- und Abbaureaktionen. Chemiker wissen, dass eine Erhöhung der Temperatur um zehn Grad Celsius bereits eine Verdoppelung von Reaktionsgeschwindigkeiten bedeutet.
Schritt für Schritt arbeitete das Projektteam die Anforderungen für den abfallfreien Kreislaufprozess ab. Gerüche, die sich durch den Abbau der Druckfarbe bilden, wurden neutralisiert, vernetzte Partikel der Bindemittel als neutraler Füllstoff inertisiert und die Oberflächengüte der Regranulate sowie die Prozessstabilität beim Plattenhersteller Filzwieser optimiert.
Die Vorschriften von REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) treffen Recyclingkunststoffe trotz ihres Recyclingprivilegs oft unerwartet – vor allem, wenn sich unabsichtlich Inhaltsstoffe bilden. Daher achteten die Partner von „DekoCycle“ besonders darauf, dass beim Abbau der Druckfarben keine kritischen Stoffe (Substances of Very High Concern) entstehen. Die Liste der ECHA (Europäische Chemikalien Agentur) umfasste während der Projektzeit 233 Stoffe und wächst stetig. Durch das vorhandene Know-how richteten die Projektpartner das Augenmerk bereits auf potenziell kritische Stoffklassen, die beim Recyclingprozess inertisiert werden. Messungen der VOCs (volatile organic carbons) nach der Automobil-Norm VDA 278 am TCKT bestätigten außerdem, dass kaum mehr flüchtige bzw. noch riechende Stoffe aus dem Regranulat oder der fertigen Platte ausdampften.
Als Ergebnis des erfolgreich abgeschlossenen Projekts steht ein neues Kreislaufwirtschaftskonzept mit einer CO2-Einsparung von mindestens 85 Prozent. Die relative lokale Wertschöpfung beträgt ersten Berechnungen zufolge mindestens zwei Euro pro Euro Verkaufswert. Seit Projektende werden die Stanzgitter regelmäßig gesammelt und aufbereitet. Die Warenströme sind auf der Internetplattform www.circular-print.eu nachvollziehbar abgebildet und zertifiziert.
Die bedruckten Recyclingplatten weisen an der Rückseite teilweise sehr feine „pinholes“ auf. Dieses „Problem“ dient zurzeit eher als Identifikationsmerkmal. Im Projekt erarbeiteten die Partner, wie solche Oberflächen auch an der Sichtseite durch Anpassung des Druckes und dessen Textur genutzt werden könnten. Maximale Recyclingquoten erfordern in jedem Fall auch Flexibilität bei der Auslegung von Spezifikationen.
Dieses Projekt wird aus Mitteln der oö. Wirtschafts- und Forschungsstrategie #upperVISION2030 vom Land OÖ gefördert.
Das könnte Sie auch interessieren: