KC-Beiratsmitglied DI (FH) Jochen Berrens im Gespräch

KC-Beirat DI (FH) Jochen Berrens.
KC-Beirat DI (FH) Jochen Berrens.<br><i>Bild: Borealis</i>
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14.06.2017

DI (FH) Jochen Berrens, Direktor Public Affairs und Innovation Headquarters von Borealis in Linz, bringt als Beirat im Kunststoff-Cluster das Know-how und die Erfahrungen der Rohstofferzeuger ein. Über die Herausforderungen einer Kunststofferzeugung in Österreich, die Wahrnehmung des Werkstoffes Kunststoff und wie die Recyclingquote von Kunststoff erhöht werden kann, darüber hat er mit uns gesprochen.

Herr Berrens, wie schafft es Borealis, eine europäische Produktion aufrecht zu erhalten, wenn bspw. der arabische Raum oder Nordamerika allein bei Rohstoffbasen deutliche Kostenvorteile haben? Ist dies durch Innovationen zu bewerkstelligen?
Wir schaffen mit innovativen und nachhaltigen Lösungen für unsere Kunden und für die Gesellschaft einen Mehrwert und dieser wird auch so wahrgenommen. Sicher haben es Regionen mit kostengünstigen Rohstoffen einfacher, im „Commoditygeschäft“ wettbewerbsfähig zu sein, was gemeinsam mit den hohen Lohnkosten für Österreich eine Herausforderung darstellt.

Borealis setzt in seiner Strategie auf Spezialitäten. Der Rohstoff ist für Verarbeiter ein entscheidender Kostenfaktor. Sehen Sie auch für Verarbeiter in Österreich eine Chance, sich dem Spezialitätenmarkt zu widmen - im Sinne einer erfolgreichen Nischenstrategie?
In Österreich haben wir nun einmal hohe Produktionskosten. Die heimische Industrie kann sich nur durch innovative Produkte differenzieren, für deren Mehrwert der Markt auch bereit ist, mehr Geld auszugeben.

Die aktuelle Recyclingrate von Kunststoffverpackungen soll weltweit bei nur 14 Prozent liegen, Kunststoff-Abfall ist als Thema omnipräsent. Wenngleich vielfach – jetzt vereinfacht ausgedrückt – das Verbraucherverhalten ursächlich für Müll in der Umwelt ist, spielt die Kunststoffindustrie eine Schlüsselrolle bei der Vermeidung von Abfällen. Die Entwicklung von recyclinggerechten Werkstoffen und Produkten ist unerlässlich. Welchen Beitrag liefern die Rohstoffhersteller schon heute, wohin geht die Zukunft?
In der Tat ist die weltweite Recyclingrate von Kunststoffverpackungennoch viel zu gering und gebrauchte Kunststoffe gehören grundsätzlich nicht in die Umwelt. Dazu ist es wichtig, dass gebrauchte Kunststoffverpackungen nicht als Abfall, sondern als Wertstoff wahrgenommen werden und dass überall eine funktionierende Infrastruktur für das Sammeln, Trennen und Verwerten von Kunststoffprodukten geschaffen wird. Selbst in Europa bestimmt die regional vorhandene Infrastruktur mit, ob Kunststoffprodukte ins Stoffrecycling gehen, auf die Deponie oder in die Müllverbrennung zur Energierückgewinnung. Mit geeignetem Produktdesign lässt sich die Recyclingquote von Kunststoffen signifikant erhöhen. Mit aus diesem Grunde hat Borealis in 2016 das Recyclingunternehmen mtm erworben, um an den richtigen Stellen der Wertschöpfungskette mehr Einfluss nehmen zu können und letztendlich die Recyclingquote zu erhöhen.

Welche Regelungen oder Vorgaben seitens der EU bzw. einzelner Länder sind sinnvoll oder notwendig, um mögliche negative Auswirkung von Kunststoff auf Menschen oder Umwelt zu verhindern?
Zunächst sollten neben der Schaffung der erforderlichen Infrastruktur zum Sammeln, Trennen und Recyceln flächendeckend keine Kunststoffe mehr auf Deponien gelagert werden. Sicherlich hilft die neue EU Verordnung zur Kreislaufwirtschaft, den Eintrag von Kunststoff in die Umwelt stark zu beschränken.

Es ist für Sie persönlich ein wichtiges Thema, Unternehmen für den Umweltschutz zu gewinnen. Borealis hat gemeinsam mit Total einen Auditkatalog auf Basis des Programms „Operation CleanSweep“ entwickelt, um der Branche ein Werkzeug in die Hand zu geben, den Ist-Stand im Unternehmen zu bewerten und um die notwendigen Maßnahmen mit Bezug auf „Zero Pellet Loss“ zu treffen. Wie ist das Feedback aus der produzierenden Industrie dazu?

Die Rückmeldungen aus der Industrie waren und sind sehr positiv. Zum Beispiel haben sich die größten in Plastics Europe organisierten Kunststofferzeuger bereits verpflichtet bzw. sind bereits dabei, das OperationClean Sweep Programm in ihren jeweiligen Produktionsstandorten umzusetzen.

Wie sehen Sie die Rolle des Clusters? Welche Leistungen bzw. Unterstützungen für die gesamte Kunststoff-Branche sehen Sie als vorrangige Aufgabe des Clusters?
Der Kunststoff-Cluster ist eine tolle Plattform zur Innovationsförderung bei mittelständischen und kleineren Betrieben, zur Vermittlung von Knowhow und zur Schaffung von Synergien, quasi ein Inkubator. Ebenso hat der Kunststoff-Cluster gerade erst vor kurzem auf die Herausforderungen der Recyclingdiskussion professionell und schnell agiert und federführend zu einem industriellen „Circular Economy“ Projekt beigetragen.

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