„Es braucht nachhaltige Lösungen von cleveren Leuten“

Kollegen Arbeiten am Laptop im Büro 3D-Drucker
Drei neue Studienrichtungen an der JKU Linz © iStock/izusek
Gerald Berger-Weber leitet seit 1. Oktober 2021 das Institute of Polymer Processing and Digital Transformation an der JKU Linz
Gerald Berger-Weber leitet seit 1. Oktober 2021 das Institute of Polymer Processing and Digital Transformation an der JKU Linz © Opernfoto Graz

10.07.2023

Drei neue Studienrichtungen an der JKU Linz heben die Ausbildung für Kunststofftechnikerinnen und -techniker auf ein neues Level. Im Interview spricht Gerald Berger-Weber, Vorstand des Institute of Polymer Processing and Digital Transformation, über die notwendige Studienreform. 

Was waren die wichtigsten Erfordernisse, die an das neue Studium gestellt wurden?

Kunststoffe sind für Zukunftstechnologien wie E-Mobilität oder erneuerbare Energiesysteme unverzichtbar. Jedoch werden Nachhaltigkeitsaspekte und CO2 -Bilanzen bei der Entwicklung neuer Produkte oft noch vernachlässigt. Die neu konzipierten Studiengänge sollen künftige Ingenieure und Wissenschafter sensibilisieren und dazu beitragen, beispielsweise transparentere Mehrwegsysteme und auf Recycling angepasste Produktions- und Verwertungsketten zu entwickeln. Gleichzeitig mussten der Markenkern einer fundierten kunststofftechnischen Ausbildung, die Bedürfnisse der Industrie, die Stärkung der Digitalisierungskompetenzen und die Vorbereitung auf die dynamischen Veränderungen in der Welt des 21. Jahrhunderts miteinander verknüpft werden.


Vor allem technische Studienrichtungen kämpfen um Studierende. Das angekratzte Image von Kunststoff macht die Situation nicht leichter. Will heute noch jemand Kunststofftechnik studieren?

Ja, es gibt Probleme im Umgang mit dem Wertund Werkstoff Kunststoff. Aber ohne Kunststoffe ist eine moderne und auch nachhaltige Welt nicht möglich! Tatsächlich sind die Studierendenzahlen in fast allen technischen Fächern an Universitäten, Fachhochschulen und HTLs im deutschsprachigen Raum weitgehend rückläufig. Ich bin aber überzeugt, dass wir mit der Transformation der Kunstofftechnikausbildung hin zu einer zusätzlich kreislauforientierten Ausbildung die Begeisterung und Motivation junger Menschen zur Erarbeitung nachhaltiger Lösungen für die Gesellschaft wecken werden.


Was macht die neuen KunststofftechnikStudiengänge an der JKU besonders?

Es braucht nachhaltige technologische Lösungen von cleveren und gut ausgebildeten Leuten aus innovativen Unternehmen. Dafür richten wir unser Ausbildungsprogramm neu aus: Bereits im Bachelorstudium kommen neben einer fundierten (kunststoff)technischen Ausbildung neue Inhalte wie nachhaltige Entwicklung, Ökobilanzierung, Recycling, Kreislaufwirtschaft und digitale Grundkompetenzen hinzu. Flipped Classroom, Blended Learning und Problembased Learning werden integrale Bestandteile der Lehr- und Lernmethoden ab dem ersten Semester. Auch Industriepartner unterstützen uns aktiv in der Lehre. Unsere Studierenden erwerben praxisnah notwendige Kompetenzen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die VUCA-Welt des 21. Jahrhunderts. Zusätzliche Wahlmodule ermöglichen persönliche Schwerpunktsetzungen etwa zum Expertinnen und Experten für Kunststoffrecycling oder für Energiewandel mit Kunststoffen. Absolvierende des Masterstudiums Polymer Engineering and Science werden mit ihrer tiefen kunststofftechnischen Fachausbildung zu interdisziplinären Problemlösern, die in Industrie und Wissenschaft heiß begehrt sind. Das Masterstudium Plastics Management and Sustainability wird mit seinem kunststofftechnischen Grundverständnis und dem Schwerpunkt auf wirtschaftliche, rechtliche und gesamtgesellschaftliche Kompetenzen jene transdisziplinären Vermittler formen, die die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts braucht. Das neue Studienprogramm bietet also Grundlagen für eine kritische Auseinandersetzung und die Entwicklung von Lösungen für den umweltschonenden Einsatz von Kunststoffen sowie die Energie- und Klimakrise.


Was sind die für Sie persönlich wichtigsten Forschungsfragen, die Kunststofftechnikerinnen und Kunststofftechniker von morgen in den nächsten Jahren lösen müssen?

Es geht in Europa um die Verteidigung der Technologieführerschaft – auch beim Erarbeiten und Einführen nachhaltiger Lösungen im Sinne einer Kunststoffkreislaufwirtschaft. Digitale Transformation ist dabei ein Enabler. Neben Fortschritten in Industrie 5.0 – Industrie 4.0 gepaart mit Resilienz, Humanzentrierung und Nachhaltigkeit – müssen gerade für die KMUdominierte österreichische Kunststoffbranche Methoden und Tools entwickelt werden, die es den Unternehmen ermöglichen, im Transformationsprozess aktiv mitwirken zu können.

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