Bioökonomie und Kunststoffe – eine Beziehung, die funktioniert!

Zwei menschliche Hände halten einen Baum und eine Erdkugel
© iStock/UK_Boonyachoat

21.07.2021

DI Dr. Florian Kamleitner leitet seit März 2021 die neue Plattform Bioökonomie bei ecoplus. Stehen Bioökonomie und Kunststoff seiner Meinung nach im Widerspruch? Wo braucht es Leitprojekte und Initiativen? Und was hält er von Green Jobs? 

Was sind die Eckpfeiler der Bioökonomie als Kern einer Nachhaltigkeitspolitik?

Erster Pfeiler unserer Plattform ist die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft: Kreisläufe schließen, Energie- und Materialeinsatz verringern. Erst wenn ich das Konzept der Kreislaufwirtschaft umfassend implementiert habe, kann ich die Substituierung fossiler Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe vorantreiben.

Stehen Bioökonomie und Kunststoff als Material im Widerspruch?

Wir denken Bioökonomie immer als zirkuläre Bioökonomie und da haben Kunststoffe einen fixen Platz. Technische Bauteile sollen so lange wie möglich im Kreislauf geführt werden (Technosphäre) und dort, wo der Lebenszyklus kurz ist, soll es eine Vereinbarkeit mit natürlichen Kreisläufen geben (Biosphäre). Biokunststoffe haben hier ein besonders großes Potenzial.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf? Wo braucht es Initiativen und Leitprojekte?

Wir haben bei der Kreislaufwirtschaft bereits gemerkt, dass ohne branchenübergreifende Kooperation die meisten Aktivitäten sehr schnell im Sand verlaufen. Ähnlich ist es bei der Bioökonomie. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Bereichen „verbrannte Erde“ vorliegt, weil die Teller-TankDiskussion im letzten Jahrzehnt speziell in der Landwirtschaft viel Vertrauen zerstört hat. Was es deshalb braucht, sind Dialoge. Aus diesen Dialogen entstehen Projekte. Mein Wunsch wäre, in einer Pilotregion anhand von Beispielen die zirkuläre Bioökonomie demonstrieren zu können.

Biotechnologie und Polymerchemie – was kann man sich von der Forschung erwarten?

Forscher haben die Angewohnheit, dass sie niemals alles erzählen, woran sie gerade forschen und nie alles publizieren, was sie wissen. Und wir wissen nicht, welche Technologie einen Durchbruch bringen wird. Ich sehe jedoch, dass bei allen neuen Technologien, Materialien und Produkten das Ende am Anfang mitgedacht wird. Speziell im Kunststoffbereich ist die Technikfolgenabschätzung eine Denkweise, die man bisher nicht kannte. Das wird ein großer Treiber in der Forschung der kommenden Jahre sein.

Welche Schwerpunkte im Kontext „Innovation durch Kooperation“ wollen Sie setzen?

Im Bereich der Kreislaufwirtschaft werden wir sehr rasch mit entsprechenden Stakeholdern in einen Dialog treten, um die Kreisläufe zwischen kommunaler Sammlung und Industrie zu schließen. Beim Altholz sind wir schon sehr weit, bei Hartkunststoffen haben wir aber noch etwas zu tun, bei Dämmstoffen stehen wir noch am Anfang. Hier hilft der positive Ansatz des Clusterns, nämlich Menschen vernetzen und Innovationen durch Kooperation vorantreiben. Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie dürfen niemals Gefahr laufen, jemandem etwas wegzunehmen, sonst scheitert das Thema.

Auf dem Weg von der Bioökonomie zum Carbonkreislauf – wo stehen wir?

Wir stehen noch vor der Bioökonomie, nämlich bei der Kreislaufwirtschaft. Wenn wir langsam Gas geben, dann können wir bis 2025 in einigen Bereichen Kreisläufe schließen und bis 2030 mit der Substituierung fossiler Ressourcen beginnen. Bis wir beim Kohlenstoffkreislauf sind, wird allerdings noch einiges an Wasser die Donau hinunterfließen.

Bioökonomie als gesellschaftlicher Wandel – wo muss man hier bei der Ausbildung ansetzen?

„Green Jobs“ fördern alleine wird nicht reichen. Die Frage lautet vielmehr, wie wir die Jugend von heute für diese Jobs motivieren können. Auch hier ist mein Motto: Geben wir der Jugend die Chance, mit ihrer Ausbildung einen Beitrag zur klimaneutralen Wertschöpfung zu leisten. Wir brauchen Berufe, die schon heute und auch in 20 Jahren einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten können. Das ist für mich die Chemielaborantin genauso wie der Waldpädagoge.

Wo sehen Sie unsere Gesellschaft in der Zukunft?

Wir stehen vor einem Umbruch. Jeder muss sich die Frage stellen, was er zur klimaneutralen Wertschöpfung beitragen kann und will. Diese Frage kann weder in Brüssel noch in Wien, St. Pölten oder Linz umfassend beantwortet werden, sie muss bis zum Unternehmer und zum Bürger. Es ist nicht bloß eine Frage der Bekämpfung der Klimakrise, sondern auch eine Frage der künftigen Wettbewerbsfähigkeit. Wenn wir alle gemeinsam anpacken, dann schaffen wir es. Tun wir das nicht, dann riskieren wir die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder!


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