Wieso wir Digitalisierung im Spritzguss dringend brauchen

KC-Beirat Rainer Weingraber im Interview

„Beim Start in die Digitalisierung beraten wir unsere Kunden gerne in der Auswahl der Produkte.“ Rainer Weingraber, Geschäftsführer Wittmann Battenfeld GmbH © Wittmann Battenfeld GmbH
„Beim Start in die Digitalisierung beraten wir unsere Kunden gerne in der Auswahl der Produkte.“ Rainer Weingraber, Geschäftsführer Wittmann Battenfeld GmbH © Wittmann Battenfeld GmbH
Linienmontage für Maschinen der EcoPower-Reihe bei Wittmann Battenfeld © Wittmann Battenfeld GmbH
Linienmontage für Maschinen der EcoPower-Reihe bei Wittmann Battenfeld © Wittmann Battenfeld GmbH

29.04.2020

Rainer Weingraber hat 2019 die Geschäftsführung bei Wittmann Battenfeld in Kottingbrunn übernommen. Er vertritt als Beirat im Kunststoff-Cluster die Interessen des Kunststoff-Maschinenbaus, insbesondere das Thema Spritzguss.

Wittmann Battenfeld bzw. Wittmann Kunststoffgeräte zählen zu den Vorreitern einer barrierefreien IT-Kommunikation der Peripherie mit dem Spritzgussaggregat bis hin zum Geschäftsmodell. Wie weit wird Digitalisierung im Produktionsumfeld in der Zukunft gehen?

Ziel ist es, die Effektivität der Prozesse entlang der Wertschöpfungskette weiter zu steigern. Die Digitalisierung ermöglicht es, durch Vernetzung, Datenanalysen und Kommunikation geeignete Steuerungsmaßnahmen zu setzen. Mit WITTMANN 4.0 können über die Spritzgießmaschinensteuerung UNILOG B8 sowohl Maschinen als auch angeschlossene Roboter und Peripheriegeräte verbunden und bedient werden, wodurch eine intelligente und gerätespezifische Interaktion zwischen den einzelnen Einheiten möglich wird. Die standardisierte Anbindung der Spritzgießmaschinen an ein übergeordnetes MES- oder ERP-System erlaubt unter Berücksichtigung einer flexiblen Gerätezuordnung eine vollständige und zentrale Datenzusammenführung und -analyse.

Wie beurteilen Sie die K-Messe 2019 in Hinblick auf Entwicklung der Märkte und allgemeine Geschäftslage?

Für uns war die K-Messe ein voller Erfolg. Wir haben unser neues Maschinenportfolio mit der neuen Vertikalmaschinen-Generation nun abgeschlossen und hatten die Möglichkeit, diese und weitere Innovationen betreffend WITTMANN 4.0 sowie zahlreiche spannende neue Anwendungen zu präsentieren. Das große Kundeninteresse und die vielen positiven Gespräche lassen uns sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken. Bezugnehmend auf die allgemeine wirtschaftliche Lage in der Kunststoffindustrie erwarten wir für das Jahr 2020 keine wesentlichen Veränderungen.

Welche Innovations-Highlights im Bereich Spritzgießmaschinen kommen aus Ihrem Haus?

Zu den Highlights im Bereich der Spritzgießmaschinen zählt die bereits erwähnte Komplettierung unserer neuen Vertikalmaschinen-Serie VPower, die sowohl in Ein- als auch Mehrkomponentenausführung verfügbar ist. Die Maschinenbaureihe steht nun in den Schließkraftgrößen 120, 160, 220 und 300 Tonnen mit Rundtischdurchmessern von 1.300, 1.600 und 2.000 mm zur Verfügung. Weitere Highlights finden sich im Bereich unserer Verfahrens- und Prozesstechnologien. Nennenswert sind hier unsere Möglichkeiten im Bereich des Silikonspritzgusses sowie die Verarbeitung von Materialien, die besondere Anforderungen an die Spritzgießtechnologie stellen, wie die Verarbeitung von PET-Material oder der Einsatz von Post-Consumer-Recycling Material oder auf Naturmaterialien basierende Werkstoffe, wie sie auf der K 2019 vorgestellt wurden.

Wie profitieren die Kunststoff-Verarbeiter von der Digitalisierung und wo sollte ein kleiner Spritzgussbetrieb mit der Digitalisierung starten?

Die Verarbeiter profitieren von einer Verbesserung der OEE, beispielhaft durch Prozessregelung, wie sie mit unseren HiQ-Anwendungstechnik-Paketen möglich ist, sowie durch Fehlervermeidung und schnellen Produktwechsel mit Hilfe des digitalen Werkzeugdatensatzes. Zusätzlich ist eine erhöhte Rückverfolgbarkeit durch Datenaufzeichnung gegeben. Beim Start in die Digitalisierung beraten wir unsere Kunden – nicht nur die kleinen Betriebe – gerne entsprechend ihrer jeweiligen Wünsche und Anforderungen in der Auswahl der Produkte. Ein integraler Bestandteil von Industrie 4.0 sind MES-Lösungen als Informations- und Leitstellen für die Produktionsüberwachung und -planung von Spritzgießmaschinen. Hier bietet WITTMANN BATTENFELD gemeinsam mit seinem Partner ICE-flex mit TEMIone eine schlüsselfertige und kostengünstige MES-Lösung für Einzelmaschinen an. Das weiterführende System TEMI+ wiederum erlaubt den Zusammenschluss aller Spritzgießmaschinen in einem Betrieb sowie die Unterstützung von WITTMANN 4.0 auch auf MES-Ebene.

Stichwort barrierefreier Datenfluss OPC-UA: Der Euromap 77-Standard ist die Basis für barrierefreie Kommunikation in der Spritzgussproduktion. Muss diese Standardisierung noch viel weiter gehen?

Mit der Standardisierung werden die verfügbaren Informationen einfacher zugänglich und transparenter. Die Vorteile der Standardisierung liegen demnach ganz klar auf der Hand. Wir werden die Standardisierung entsprechend dem künftigen Bedarf unserer Kunden weiter forcieren.

Wie sieht es mit der Peripherie und dem Spritzgusswerkzeug aus?

Die Standardisierung muss sich in weiterer Folge auch auf Produktionsmittel ausweiten, die unmittelbar auf den Prozess zur Produktion eines Spritzgießteiles Auswirkung haben. Dazu gehören Temperiergeräte, Heißkanalregler, LSR-Dosieranlagen und viele weitere Peripheriegeräte. Für die erstgenannten Produkte wurden bereits Euromap 82-Normen erstellt, weitere Standardisierungen sind in Ausarbeitung. Es ist naheliegend, dass auch Spritzgusswerkzeuge in nächster Zeit ihre Informationen via OPC-UA zur Verfügung stellen könnten.

Gibt es Innovationen im Bereich Kreislaufwirtschaft bei Wittmann Battenfeld?

Im Verpackungsbereich arbeitet WITTMANN BATTENFELD mit ihrem Partner Zeroplast an der Verarbei-tung eines völlig neuen biobasierten Naturwerkstoffs, der in der ersten Näherung für Verpackungen in der Kosmetikindustrie angedacht ist. Dieser ist nicht nur recycelbar, biokompatibel, frei von gentechnisch veränderten Organismen (GVO-frei) und chemischen Additiven, sondern soll sämtliche Wünsche und Anforderungen der Industriekunden erfüllen. Dazu zählen neben den bereits genannten Kriterien die industrielle Serienproduktion im Spritzguss, positive Werte in der Umweltbilanz, eine biobasierte Barriereschicht für Kosmetik und Lebensmittel sowie Wettbewerbsfähigkeit bei Preis, Prozessen und Qualität. Die Inhaltsstoffe des Werkstoffs Zeroplast free, stehen darüber hinaus nicht in Konkurrenz mit der Tierfutter- oder Nahrungsmittelproduktion. Aufgrund der Chargenschwankungen von Naturstoffen waren dabei unter anderem Neuentwicklungen in der Programm- und Prozesstechnik notwendig.

Was bieten Sie Ihren Kunden im Bereich Softwarelösungen für Wartung und Service bzw. generell für das Geschäftsmodell bei Spritzgussmaschinen an?

WITTMANN BATTENFELD bietet seinen Kunden neben den genannten MES-Lösungen TEMIone und TEMI+ auch ein Condition Monitoring System zur kontinuierlichen Zustandsüberwachung der wichtigsten Maschinenparameter an. Sicher einzigartig und zum Vorteil der Kunden: Wir sind der One-Stop-Shop für Spritzgussanlagen, sprich von der Zentralförderanlage über die Spritzgießmaschine und Digitalisierungslösungen bis zum Trockner. Das wissen immer mehr Kunden zu schätzen.

www.wittmann-group.com


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