Eine Technologie mit hohem Zukunftspotenzial

Aziz Huskic ist Professor für Produktionstechnik/Umformtechnik an der Fachhochschule Oberösterreich am Campus Wels
Aziz Huskic ist Professor für Produktionstechnik/Umformtechnik an der Fachhochschule Oberösterreich am Campus Wels © Privat

16.05.2023

Metall-3D-Druck gewinnt im Werkzeug- und Formenbau zunehmend an Bedeutung. Aziz Huskic ist Professor für Produktionstechnik/Umformtechnik an der Fachhochschule Oberösterreich am Campus Wels und einer der Referenten beim FORUM.Werkzeugbau 2023. KC-aktuell hat den Welser Forscher im Vorfeld zum Interview gebeten.

Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Additiver Fertigung bzw. Metall-3D-Druck. Die Potenziale dieser Technologien für den Werkzeug- und Formenbau werden selbst von Experten oft noch sehr unterschiedlich eingeschätzt. Was ist Ihre Meinung dazu?

Additive Fertigung bietet sich grundsätzlich für die Herstellung von Bauteilen geringerer Stückzahlen und komplizierter Geometrien sowie für Bauteile mit hohem Individualisierungsgrad an. Dies gilt sicher auch im Werkzeug- und Formenbau. Deshalb ist Additive Fertigung als ergänzende Technologie prädestiniert für den Werkzeug- und Formenbau. Zudem sehe ich auch ein großes Potenzial beim Einsatz dieser Technologie im Vorrichtungsbau. Dabei muss aber von Fall zu Fall genau hinterfragt werden, welche Werkzeugteile nur konventionell oder ausschließlich additiv beziehungsweise in hybrider Bauweise gefertigt werden und welche additive Fertigungstechnologie dafür in Frage kommt.


Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen, um additive Technologien im Werkzeug- und Formenbau als Standardtechnologien zu etablieren?

Ich habe vor zehn Jahren behauptet, dass zum heutigen Zeitpunkt bei jedem größeren Unternehmen eine der additiven Fertigungstechnologien als ergänzendes Fertigungsverfahren etabliert sein wird. Wie wir heute sehen, habe ich mich damals geirrt. Damals wie teilweise auch heute hat die „konservative Branche Werkzeugbau“ beispielsweise dem Werkzeugwerkstoff 1.2709 nicht vertraut. Mittlerweile werden auch konventionelle Werkzeugwerkstoffe wie 1.2343, 1.2344, W360, 1.2365 etc. additiv verarbeitet. Nichtsdestotrotz ist man immer noch mit Themen wie geringe Produktivität additiver Technologien, Lebensdauer, Wärmebehandlung oder Wartung von Temperiersystemen konfrontiert, was schlussendlich auch mit den Kosten zusammenhängt. Ich persönlich glaube, dass viele dieser Vorurteile abgebaut werden könnten, indem man sich etwa in Weiterbildungsveranstaltungen intensiver mit der Technologie auseinandersetzt. Auch die direkte Anwendung in Fallbeispielen würde dabei helfen. Anderseits hoffe ich, dass die additive Technologie tatsächlich produktiver wird und sowohl die Anlagenals auch Materialkosten in einem überschaubaren Rahmen bleiben.


Der Werkzeugbau hierzulande ist kleinund mittelständisch geprägt. In wirtschaftlich turbulenten Zeiten ist es gerade für kleine Betriebe schwierig, neue Technologien auszuprobieren oder einzuführen. Welche Tipps haben Sie für diese Unternehmen, um an neuen Entwicklungen ebenfalls zu partizipieren?

Als Kleinunternehmer würde ich zuerst innerhalb einer Kooperation mit einem Dienstleister oder einer Forschungseinrichtung das Thema angehen, bevor ich in teure Technologie investiere. Denn beide haben meist schon Erfahrungen mit additiven Fertigungstechnologien im Werkzeugund Formenbau – etwa beim Spritzgießen, Druckgießen, Tiefziehen bzw. Presshärten oder Schmieden. Dabei ist aber eine systematische Vorgehensweise wichtig: Sowohl der Ablauf im Werkzeug- und Formenbau als auch der additive Prozess inklusive Simulation müssen ganzheitlich betrachtet werden. Vom Know-how der Kooperationspartner profitieren kleine Unternehmen auch bei der Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter, sodass sie auch nach Beendigung der Kooperation den größtmöglichen Nutzen aus der „gelernten“ Technologie ziehen können.


An welchen speziellen Themen forschen Sie aktuell?

Es ist uns gerade gelungen, ein paar neue Werkstoffe (z. B. W360, HSS, Hartmetalle etc.) für die Prozesse LMD (Laser Metal Deposition) und SLM (Selective Laser Melting) zu qualifizieren. Dabei zielen wir auf den Hybridbau sowohl von klein- als auch großflächigen Werkzeugen und Formen ab. In einem Projekt mit dem Industrieverband Massivumformung, gefördert durch die AVIF (Forschungsvereinigung der Arbeitsgemeinschaft der Eisen und Metall verarbeitenden Industrie e.V.) in Deutschland, untersuchen wir den Einsatz additiv gefertigter Schmiedegesenke mit konturangepasster Innenkühlung. Außerdem starten wir das Interreg-Projekt „Ressourceneffiziente Bauteilinnovationen durch additive Fertigungsverfahren“ gemeinsam mit Kollegen aus Bayern, Innsbruck und Salzburg. Darin wollen wir aufzeigen, dass additiv gefertigte Werkzeuge und Formen auch als Leichtbau eingesetzt werden können. Industriepartner sind gerne eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen.


Welche Möglichkeiten für Kooperationen im Bereich Metall-3D-Druck kann die FH OÖ am Campus Wels den Unternehmen anbieten?

Wir beschäftigen uns bereits seit 17 Jahren mit der Additiven Fertigung für die Metallverarbeitung. Dabei konnten wir umfangreiche Erfahrung in der gesamten Prozesskette sammeln – vom Werkstoff über den Prozess, die Simulation bis hin zur Wärmebehandlung und Nacharbeit additiv gefertigter Bauteile. Diese Expertise stellen wir gerne in öffentlich geförderten oder direkt durch die Industrie finanzierten Projekten den Unternehmen zur Verfügung. Wir bieten außerdem Weiterbildungsseminare sowohl für erfahrene Mitarbeiter als auch für Lehrlinge an. Unsere Studierenden des Studiengangs Werkstoffwissenschaften und Fertigungstechnik (WFT) sind mit dem Thema Additive Fertigung sehr gut vertraut und bringen ihr Knowhow immer wieder in studentischen Projekten und Arbeiten ein.

www.fh-ooe.at/campus-wels