Damit uns Recycling nicht aufs DACH fällt

Beitrag von Christian Mayr, Projektmanager des Kunststoff-Clusters

© iStock/vm
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„Die Zahlen und Fakten zu Kunststoffrecycling im DACH-Raum beweisen, dass noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Vor allem auch Überzeugungsarbeit.“ Christian Mayr, Projektmanager Kunststoff-Cluster
„Die Zahlen und Fakten zu Kunststoffrecycling im DACH-Raum beweisen, dass noch sehr viel Arbeit vor uns liegt. Vor allem auch Überzeugungsarbeit.“ Christian Mayr, Projektmanager Kunststoff-Cluster

29.06.2020

Bei der Wiederverwertung von Kunststoff besteht im gesamten DACH-Raum noch Handlungsbedarf, um bis zum Jahr 2025 die von der EU vorgegebenen Ziele zu erreichen. Kreislaufwirtschaft ist dabei das Maß aller Dinge. Im Idealfall wollen die heimische Kunststoffbranche und Abfallwirtschaft bei Sammelquote, Sortiertiefe und Recyclingausbeute einen Wert von 80 Prozent schaffen.

Ein Vergleich von Daten zu Kunststoffrecycling in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestaltet sich schwierig, da verschiedene Berechnungsmethoden verwendet werden und unterschiedliche Datenverfügbarkeit herrscht. So wird in Deutschland der exportierte Kunststoffabfall zur Recyclingquote addiert. In der Schweiz sind genaue Zahlen zum stofflichen Recycling nicht verfügbar. Die neue Berechnungsmethode der EU muss in der Schweiz nicht unbedingt angewendet werden. Zahlen zu Kunststoffabfällen sind bei den Eidgenossen auch nicht für den gleichen Zeitraum verfügbar. So fielen in der Schweiz im Jahr 2010 rund 780.000 Tonnen Kunststoffabfälle an, was ca. 91 Kilogramm pro Einwohner bedeutet. Für Österreich und Deutschland gibt es aktuellere Zahlen: Im Jahr 2015 fielen in Österreich 915.000 Tonnen Kunststoffabfälle an (107 Kilogramm pro Kopf) und in Deutschland betrug die Menge an Kunststoffabfällen im Jahr 2017 rund 6,2 Millionen Tonnen. Das ergibt pro Einwohner einen Wert von 74 Kilogramm. Mögliche Schlussfolgerungen sind schwierig, sie lassen sich jedoch mit der unterschiedlichen Trennmoral der Bevölkerung erklären.

Unterschiedliche Berechnungsmethoden

Die für eine Vergleichsanalyse ausgewählten Zahlen und Daten sind wegen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden in den drei Ländern mit Vorsicht zu genießen. Eine Gegenüberstellung von Daten zu Kunststoffabfällen spiegelt die Komplexität von Erhebungsmethoden wider. Die Grafiken sollen einen Überblick zu Kunststoffrecycling im DACH-Raum geben.

Viele Hürden auf dem Weg zum Ziel

Die Recyclingquoten für Kunststoffe sind in den abfallwirtschaftlichen Vorreiterländern sehr niedrig – das belegen die vorliegenden Zahlen eindeutig. „Bis zum Jahr 2025 müssen die Mitgliedstaaten der EU bestimmte Vorgaben bei den Kunststoff-Recycling-Quoten erreichen. Österreich, das oft als Vorbild bei der Abfallentsorgung und Verarbeitung gilt, hat beim Kunststoff noch Potenzial nach oben. Damit ist das Land im Vergleich mit den beiden anderen Staaten im DACH-Raum in guter Gesellschaft“, betont Mayr.

Thermische Verwertung von Kunststoffabfällen im DACH-Raum

  • 52% in Deutschland
  • 75% in der Schweiz
  • 71% in Österreich

Die thermische Verwertung ist das Mittel der Wahl, sei es als Ersatzbrennstoff in Zementwerken oder als Energielieferant in Müllverbrennungsanlagen. Glücklicherweise haben die DACH-Länder ein Deponieverbot, welches EU-weit zu befürworten wäre, um einen weiteren rechtlichen Anreiz für die Kreislaufwirtschaft zu setzen. Verpackungen, mehrheitlich aus Polyolefinen, machen den höchsten Anteil des Kunststoffabfalls aus. Polyolefin-Rezyklate können aus teils rechtlichen und teils technischen Gründen derzeit nur bedingt eingesetzt werden. Polyolefine, die auch bei einer Fachtagung des Kunststoff-Clusters Kreislaufwirtschaft am 30. September 2020 im Fokus stehen, gelten als größte Herausforderung beim Recycling. Problematisch ist der Kontakt mit Lebensmitteln: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zertifiziert derzeit nur PET-Rezyklate und schafft damit eine rechtliche Hürde. Dr. Stephan Laske, R&D Director der Greiner Packaging International GmbH am Standort in Sattledt und Beirat im Kunststoff-Cluster, sieht darin eine große Herausforderung für die Kunststoff-Branche. „Zum einen ist da der „technisch/juristische Gegensatz“ z.B. rPP in Joghurtbechern. Denn nicht alles, was wir könnten, dürfen wir fertigen und vieles, was wir dürften, ist technisch oftmals nicht sinnvoll – wie rPET in Joghurtbechern“, sagt Laske.

Pfandsystem auf dem Prüfstand

PET-Flaschen werden seit geraumer Zeit getrennt gesammelt, in Deutschland bekannterweise mit Pfand, der aktuell in Österreich auch heiß diskutiert wird. Bei PET funktioniert der Kreislauf. Es existiert eine signifikante Menge, die es wirtschaftlich macht, zu rezyklieren, es wird getrennt gesammelt und es kann dadurch für Lebensmittelverpackungen verwendet werden. In Deutschland gibt es Pfand auf bestimmte Einweggetränkeflaschen aus Kunststoff – beispielsweise für kohlensäurehaltige Getränke. Damit ergibt sich eine Sammelquote bei Pfandflaschen von rund 98 Prozent, während nicht bepfandete Kunststoffgetränkeflaschen nur auf einen Sammelquote von 65 Prozent kommen.

Meilensteine und viel Schwung

Die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft hat in den vergangenen Jahren Anlauf genommen und bestimmte Meilensteine haben ihr zusätzlich Schwung verliehen. Neben dem Kreislaufwirtschaftspaket und der Kunststoffstrategie der EU waren das in jüngerer Vergangenheit die Einwegplastik- Richtlinie mit den einhergehenden Sammelquoten für PET-Flaschen, der European Green Deal, der einen Schwerpunkt auf die Kunststoff-Kreislaufwirtschaft setzt sowie der European Plastics Pact und das Global Commitment von Ellen MacArthur, welche auf internationaler Ebene agieren und den Fokus der Circular Economy geben. Darüber hinaus setzen die Unternehmen der Kunststoffbranche auf interne Nachhaltigkeitsprojekte, sodass man durchaus meinen könnte, die Kreislaufwirtschaft ist in der Branche angekommen. Mitnichten. Noch ist viel zu tun, aber die ehrgeizigen Ziele sind bei gemeinsamer Kraftanstrengung durchaus realisierbar.

80 Prozent als Zielvorgabe

Damit Österreich bis 2025 die von der EU vorgegebenen Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von 50 Prozent erfüllen kann, braucht es bundesweit eine Sammelquote, eine Sortiertiefe und eine Recyclingausbeute von jeweils 80 Prozent. Derzeit hat Österreich eine Recyclingquote bei Kunststoffverpackungen von 25 Prozent. Das heißt eine Sammelquote von 58 Prozent, eine Sortiertiefe von 58 Prozent und eine Recyclingausbeute von 78 Prozent. Der Schlüssel zur Kunststoff-Kreislaufwirtschaft liegt nicht nur in technischen Anwendungen wie Sortierung (Stichwort: digitales Wasserzeichen) oder Recycling, sondern auch in der menschlichen Adaptier- und Innovationsfähigkeit, sich auf Neues einzustellen und auch Neues zu probieren. Mehr denn je sind diese Eigenschaften aktuell gefordert.

„Nützen Sie die aktuelle Phase als Zeit zum Überdenken etablierter Prozesse, denken Sie über den Einsatz von Rezyklat nach und finden Sie neue, dringend gesuchte Anwendungen. Die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe wird weiterhin mit vollem Tatendrang verfolgt.“

Christian Mayr, Projektmanager Kunststoff-Cluster


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