Chemisches Kunststoff-Recycling

Gastbeitrag von Univ.-Prof. Dr. Christian Paulik, JKU Linz

© OMV Aktiengesellschaft
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14.07.2020

Neben dem mechanischen Recycling gewinnen Lösungen zur effizienten und ressourcenschonenden Verwertung von gemischten Kunststoffabfällen immer mehr Aufmerksamkeit. Dazu zählen auch chemische Recyclingprozesse.

Mechanisches Recycling funktioniert beispielsweise bei der werkstofflichen Verwertung von vorsortierten, sortenreinen Altkunststofffraktionen wie PET bereits sehr gut. Lösungen zur effizienten und ressourcenschonenden Verwertung von gemischten Kunststoffabfällen gewinnen aktuell immer mehr Aufmerksamkeit. Dazu zählen sowohl die Erforschung und Entwicklung neuer Materialien und Additive, die Recyclingprozesse erleichtern, als auch chemische Recyclingprozesse. Chemisches Recycling von Kunststoffen ermöglicht das Schließen von Stoffströmen, für die heute Recyclinglösungen oder Kapazitäten fehlen, und ergänzt somit ein werkstoffliches Recycling.

Weniger Deponieabfälle

Durch chemisches Recycling kann der Anteil von Kunststoffabfällen, der auf Deponien landet oder rein thermisch verwertet wird, reduziert werden. Beispiele für Kunststoffabfälle, die sich werkstofflich schwer recyceln lassen, sind verunreinigte Kunststoffe, Mehrschichtverpackungssysteme oder Verbundkunststoffe. Mit Hilfe von chemischem Recycling können Kunststoffabfälle wieder in Rohstoffe oder Monomere für die Polymerproduktion umgewandelt und damit fossile Ressourcen ersetzt werden. Dazu werden thermochemische Prozesse, Hydrolyse- oder Solvolyse-Verfahren eingesetzt.

Vorreiter OMV

Eine Vorreiterrolle im chemischen Recycling von Kunststoffabfällen spielt dabei die OMV mit ihrem ReOilTM-Prozess, der bereits in einer Pilotanlage in der Raffinerie Schwechat realisiert wurde. Für die Aufbereitung des Kunststoffabfalls muss dieser auf über 400 °C erhitzt werden. Bei dieser Temperatur werden die langen Kunststoffmolekülketten depolymerisiert (zerkleinert) und es entsteht synthetisches Rohöl. Dieses Pyrolyseöl kann dann in die existenten Stoffströme der Raffinerie eingebracht werden und über den Steamcracker auch wieder zu Monomeren für die Produktion von Polyethylen und Polypropylen verarbeitet werden.

Pilotprojekt bei BASF

Einen ähnlichen Weg beschreitet die BASF mit ihrem Projekt ChemCyclingTM, um Produkte aus chemisch recycelten Kunststoffabfällen im industriellen Maßstab herstellen zu können. BASF konnte dabei mit ihren Partnern zeigen, dass damit wieder Monomere und daraus wiederum Kunststoffe für Verpackungen, Kühlschrankelemente und Isolierboxen hergestellt werden können.

Neues Kompetenzzentrum

Diese industriellen Beispiele zu chemischem Recycling von Kunststoffabfällen veranschaulichen aber auch, dass noch viele offene Fragen bestehen. Hier können vorwettbewerbliche Forschungskooperationen wie z.B. das neu geschaffene Kompetenzzentrum CHASE (Chemical Systems Engineering) entscheidende Beiträge liefern. Allerdings muss jeder neue Recyclingweg sowohl vom Markt als auch von den Regulierungsbehörden anerkannt werden.

Offene Fragen

Derzeit sind noch viele technische, wirtschaftliche und regulatorische Fragen offen. Mit der Plattform „Verpackung mit Zukunft“ haben sich Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette zusammengeschlossen, um mehr Bewusstsein für den sinnvollen Einsatz von Verpackungen bzw. die Vermeidung von Verpackungen zu schaffen. Eine enge Zusammenarbeit aller Partner ist für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Kunststoffbranche unbedingt erforderlich.

www.verpackungmitzukunft.at 
 


Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Christian Paulik ist Vorstand des Instituts für Chemische Technologie Organischer Stoffe an der Johannes Kepler Universität Linz. Er beschäftigt sich seit Anfang der 90er Jahre mit der Entwicklung von Polymerwerkstoffen. Gegenwärtig ist er zusätzlich Wissenschaftlicher Geschäftsführer der Kompetenzzentrum CHASE GmbH und Obmann des Vereins JKU Open Lab zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich Chemie.
www.chasecenter.at

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