Bald real: Bandscheiben aus Kunststoff

Maßgeschneidertes medizinisches Bauteil aus dem 3D-Drucker – gefertigt von HAGE3D
Maßgeschneidertes medizinisches Bauteil aus dem 3D-Drucker – gefertigt von HAGE3D © B. Bergmann/MUG
Portrait Julia Maier, Institute of Polymer Product Engineering, JKU Linz
Julia Maier, Institute of Polymer Product Engineering, JKU Linz © Foto Freisinger Leoben

30.03.2023

Julia Maier vom Institute of Polymer Product Engineering an der JKU Linz spricht mit KC-aktuell über Anwendungsgebiete von Kunststoff in der Medizintechnik und die Bedeutung von 3D-Druck bei der Herstellung von Transplantaten.

Welche Bedeutung haben Kunststoffe in der Medizintechnik?

Kunststoffe als Materialklasse nehmen in der Medizintechnik eine tragende Rolle ein. Ihre Anwendung erstreckt sich von scheinbar alltäglichen Gegenständen wie Spritzen, sterile Verpackungen oder Beatmungsschläuche, ohne die ein modernes Gesundheitssystem nicht möglich wäre, über realistische anatomische Phantome für chirurgische Trainingszwecke, wie sie im MEDUSA Projekt entwickelt werden, bis hin zu Prothesen, die in den menschlichen Körper implantiert werden. Durch ihre mechanischen und haptischen Eigenschaften, die menschlichem Gewebe ähnlicher sind als andere Materialien, ihre Biokompatibilität und die Vielfältigkeit der Verarbeitungstechnologien, eröffnen Kunststoffe Anwendungsgebiete, die sonst nicht denkbar wären. In der österreichischen Forschungslandschaft ergeben sich Chancen für hochqualitative Forschung durch eine enge interdisziplinäre Vernetzung von Medizin und Technik.


Wird es in absehbarer Zeit möglich sein, Transplantate mit 3D-Druck herzustellen? Welche Organe bzw. welche Organteile kämen dafür in Frage?

Die Herstellung von Transplantaten, die nur mechanischer Belastung ausgesetzt sind und keine neuronalen oder andere Funktionen übernehmen müssen, ist meiner Meinung nach in greifbarer Nähe. In Frage dafür kommen z. B. Menisken oder Bandscheiben. Für die tatsächliche Transplantation in den menschlichen Körper ist dabei momentan nicht die Technologie das Nadelöhr, sondern die notwendigen medizinischen Zulassungen und Regularien.


Das Leitprojekt MEDUSA ist international viel beachtet. Was sind aus Ihrer Sicht die Besonderheiten bei diesem Projekt im Vergleich zu anderen „Dummies“, mit denen Operationen simuliert werden können?

Die Einzigartigkeit von MEDUSA liegt in der hybriden Natur des Simulators. Während andere Simulatoren sich auf die virtuelle oder die physische Welt beschränken, vereint MEDUSA die Vorteile beider Welten zu einem ganzheitlichen Erlebnis für die trainierenden Chirurgen. Darüber hinaus sind die Detailtreue und Qualität der anatomischen Modelle ein Alleinstellungsmerkmal. Dass beispielsweise die Öffnung der sylvischen Fissur (ausgedehnte seitliche Furche des Gehirns) oder der Hirndruck während einer simulierten Operation gesteuert werden können, oder dass die Präparation des Zugangs zum Aneurysma physisch trainiert werden kann, sind Besonderheiten.


Stichwort: Zukunft der Polymertechnologie. Wo sehen Sie für den Standort Oberösterreich besondere Chancen?

Für die Zukunft der Polymertechnologie am Standort Oberösterreich sind der Technologieaustausch und das Vorantreiben interdisziplinärer Zusammenarbeit eine besondere Chance und der Kunststoff-Cluster leistet dabei großartige Arbeit. Meiner Meinung nach wird es für die Zukunft der Polymertechnologie essenziell sein, das Potenzial von Kunststoffen verstärkt vor den Vorhang zu holen und in das öffentliche Interesse zu rücken. Durch das Schaffen von Bewusstsein für die Vielfältigkeit und die Notwendigkeit dieser Materialien in unserer modernen Welt und für den verantwortungsvollen Umgang mit wertvollen Ressourcen können auch künftige Generationen von Technikern für das Meistern spannender Herausforderungen motiviert werden.